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Samuel Bürki

Montag 21. Dezember 2020

Gaming und eSports: vom dunklen Keller in die Arena

Starten wir mit der Gretchenfrage: Ist eSports wirklich ein Sport? Diese Frage wird stets diskutiert und eine klare Antwort zu finden, ist gar nicht so leicht. Sport wird nach Rodgers (1977) und Suits (2007) so definiert: « …eine körperliche Aktivität, die Fähigkeiten erfordert, wettbewerbsfähig ist und ein Mass an Stabilität und Institutioneller Organisation aufweist.» Der Punkt der körperlichen Aktivität kann beim eSports durchaus in Frage gestellt werden, finden die meisten Wettbewerbe doch vor dem PC oder einer Konsole statt. Als Vergleich hierzu kann zum Beispiel Schiessen oder Rennwagenfahren hingezogen werden. Beide Aktivitäten sind ohne Frage sportliche Aktivitäten. eSports fordert aber ein hohes Mass an unterschiedlichen Fähigkeiten: Taktiken, Kommunikation, Reaktionsgeschwindigkeit oder Vorausahnen von gegnerischen Zügen sind nur einige. Forscher der Deutschen Sporthochschule in Köln zeigten auf, dass eSports-Athleten bis zu 3.000 Bewegungen pro Minute machen und der Stressfaktor während eines Spiels liesse sich mit einem Elfmeterschiessen in einem Champions League Finale vergleichen[1]. eSports lässt sich somit folgendermassen als wettbewerbsfähiges Spielen von Computergames in Teams oder alleine definieren.

[1] Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 2019

Gaming und eSports: Was ist der Unterschied?

Die Wettbewerbsfähigkeit ist zugleich auch der grösste Unterschied zwischen eSports und Gaming. Zwar geht es beim Gamen auch darum, ein Spiel zu gewinnen, die Rahmenbedingungen sind jedoch ganz andere. Gaming findet vor allem zu Hause vor dem Computer und vor der Konsole statt, immer mehr aber auch auf Mobile. eSports wächst im Gegenzug zum Gaming zuhause sehr stark. Nicht nur die Umsatzzahlen steigen immer mehr, sondern auch die Anzahl der Zuschauer, die sich für eSports interessiert. 2019 gaben 443 Millionen Menschen weltweit an, eSports zu schauen. 198 Millionen davon bezeichnen sich sogar als eSports-Enthusiasten.

eSports-Turniere finden nicht mehr nur in kleinen Räumen oder im Keller an LAN-Parties statt, sondern füllen heutzutage regelmässig grosse Stadien und Arenen. Gemeinsam mit den Streaming-Zuschauern entsteht so ein sehr breites Publikum. So wurde zum Beispiel das Finale 2019 des Spiels «League of Legends» in Paris in der ausverkauften Accor Hotels Arena (20’300 Zuschauer) von knapp vier Millionen Zuschauern online (exkl. Zuschauer über TV und aus China) verfolgt, in der Spitze schauten bis zu 44 Millionen Zuschauer gleichzeitig zu. Sogar das beliebte Spiel «Farming Simulator», welches von der Schweizer Firma «Giants Software» entwickelt wurde, hat eine eigene eSports-Liga, bei der es ein Preisgeld von rund 280'000 Franken zu gewinnen gibt. Das Prinzip des Spiels: in 15 Minuten Spielzeit möglichst viele Heuballen zu produzieren und abzuliefern. Die Simulation war von 2008 bis 2018 das meistverkaufte PC-Videospiel in Deutschland und vielen weiteren Ländern und wurde in 18 Sprachen übersetzt. Insgesamt wurden über 25 Millionen Versionen in über 165 Ländern verkauft.

 

Wer profitiert wie von eSports?

eSports beeindruckt nicht nur mit gewaltigen Zuschauer- sondern auch Umsatzzahlen: Der eSports-Markt machte 2019 weltweit einen Umsatz von ca. 957 Millionen US-Dollar . Für das Jahr 2023 wird sogar ein Umsatz von 1'598 Millionen US-Dollar erwartet. So wurde beispielsweise beim Finalturnier «The International» 2018, bei dem das Spiel Dota2 im Wettkampf ausgetragen wurde, ein Preisgeld von mehr als 25 Millionen Dollar ausgeschüttet. Zum Vergleich: Am prestigeträchtigen Tennisturnier in Wimbledon wurde 2019 insgesamt ein Preisgeld von 38 Millionen Pfund (49.73 Millionen Dollar) ausgeschüttet. Dies macht eSports zu einer beliebten Plattform für Sponsorings. Das Statistikportal statista prognostiziert, dass durch Sponsoring im eSports 2020 ein Umsatz von ca. 584 Millionen Dollar gemacht wird. Die restlichen Segmente wie Medienrechte, Game-Publisher-Gebühren und Streaming sind enorm klein im Vergleich.

 

Ein schönes Beispiel aus Deutschland zeigt, dass Sponsoring im eSports nicht nur für Tech-affine Firmen Sinn macht: Die Wüstenrot Bausparkasse wollte seine Markenbekanntheit bei jungen Erwachsenen steigern und fand so den Weg in den eSports. Wüstenrot wurde Hauptsponsor der ESL-Frühlingsmeisterschaft, dem grössten deutschen eSport-Turnier. Der eigens dazu entwickelte Claim «Endlich genau mein Ding» tauchte in Interviewserien mit eSports-Athleten und Influencern auf und wurde auch über Social Media verbreitet. Das Ergebnis: Innerhalb von neun Wochen erzielte Wüstenrot so über 200'000 Views, ca. 235'000 Klicks und über 13 Millionen Impressions. Ein weiteres Beispiel für die Relevanz: 2008 nutzte Barack Obama das Videospiel «Burnout Paradise» um In-Game-Werbung für seine Kandidatur zu machen. Obamas Kampagnenteam hat dazu im Spiel Werbeflächen gebucht, die den Onlinespielern dann ausgespielt wurden. Beide Beispiele zeigen, dass ein Sponsoring im eSports auch für Unternehmen Sinn macht, die ihre Zielgruppe nicht (mehr) über klassische Medienkanäle erreichen können. Zu den bekanntesten Gaming Influencern weltweit gehören sicherlich die folgenden Streamer:

  • PewDiePie: 107 Mio. YouTube Abonnenten, 1.2 Mio. Twitch Follower
  • Markiplier: 27.3 Mio. YouTube Abonnenten, 1.6 Mio. Twitch Follower
  • Ninja: 24.1 Mio. YouTube Abonnenten, 16 Mio. Twitch Follower
  • Shroud: 6.6 Mio. YouTube Abonnenten, 8.4 Mio. Twitch Follower

Gaming und eSports Inhalte können auf verschiedenen Plattformen angeschaut werden. Zu den bekanntesten Plattformen gehören Twitch, YouTube und auch Facebook. Einen anderen Weg geht beispielsweise Google mit der Gaming Plattform Stadia. Google Stadia ist ein Cloud-Gaming-Service, der es erlaubt, selbst zu entscheiden, wo die Games gespielt werden: auf dem Laptop, Computer, Smartphone oder Tablet.

Wie im klassischen Influencer-Marketing werden auch im Gaming und im eSports Influencer von vielen Seiten unterstützt. Sie sind Markenbotschafter und erreichen durch ihre Streams eine Vielzahl an meist jungen Leuten. Dabei gibt es auch unterschiedliche Mittel, Gamer zu unterstützen. Sei dies Beispielsweise mit Banner-Werbungen in Streams, mit dem Sponsoring von Hardware oder auch durch finanzielle Unterstützung. Auch hier gilt wieder, dass ein solches Engagement nicht nur für Tech-Firmen in Frage kommt. So ist zum Beispiel die PostFinance offizieller Sponsor des eSports Teams PostFinance Helix, welches sich im Spiel «League of Legends» mit anderen Teams misst.

Streams eignen sich zudem hervorragend für Produktplatzierungen und Reviews. Denn wie kann beispielsweise eine Gaming-Tastatur besser in Szene gesetzt werden, als beim Spielen? Da sich die Kamera beim Stream meist nicht bewegt und immer der gleiche Ausschnitt zu sehen ist, können Produkte gekonnt platziert werden. Zudem erlauben Streams auch die Möglichkeit, Werbebanner einzublenden. Hier ist vor allem auch das Engagement mit der Community wichtig. Livestreams haben oft die Möglichkeit, dass die Zuschauer sich via Chatfunktion mit dem Streamer unterhalten können.

 

Fazit

eSports eignet sich somit als ein neues Format für Unternehmen, eine besonders junge Zielgruppe anzusprechen, die nicht mehr über traditionelle Medien erreicht werden kann. Über Influencer, Sponsorings von Turnieren und Events bis zu In-Game Werbung, welche zusammen mit den Game-Publishern erarbeitet wird, ist alles möglich. Gerade auch die vergangenen Monate und die Corona-Krise haben gezeigt, welches Interesse am Gaming und an eSports besteht. So stieg die Nutzungszeit von Videospielen in Deutschland im April um 22%, resp. im März um 21% . Von März bis Mai 2020 stiegen in Deutschland auch die Abrufzahlen auf YouTube im Bereich Gaming um 231%. eSports ist trotz allem noch eine junge Disziplin, in der ein enormes Potenzial schlummert. Die Prognosen lassen erahnen, dass sich eSports in den kommenden Jahren sogar mit traditionellen Sportarten auf Augenhöhe messen kann, was Umsatz und Zuschauerzahlen angeht. Dies belegt auch die Anzahl der Turniere, Events wie die Zürich Game Show oder das HERO Fest in Bern und die Umsätze, die mit Gaming und eSports gemacht werden. Gamen wird immer «salonfähigerr» und wird nicht mehr mit dunklen Kellern, Chips und Energy Drinks verbunden. Dies zeigt auch das Engagement vom Schweizerischen Fernsehen, welches im Frühling 2020 aufgrund der durch die Corona-Krise abgesagten Eishockey WM ein kleines eSports-Turnier mit Schweizer Eishockey Spielern (unter anderem Timo Meier von den San Jose Sharks) veranstaltet hat. Das Turnier wurde am Freitagabend auf SRF 2 live übertragen. Auch die Schweizer Pendlerzeitung «20 Minuten» verfügt seit neustem über einen Twitch-Kanal, auf dem regelmässig über die neusten Ereignisse im eSports berichtet wird, von Turnieren über Gaming-Hits oder Talks und Sessions mit aufstrebenden eSportlern aus der Schweiz.